Offener Brief als Antwort auf Kreistagssitzung vom 12.10.2022
Mit Entsetzen und anfänglicher Sprachlosigkeit habe ich den gescheiterten Resolutionsantrag zur Kenntnis genommen.
Hier wurde die Chance verpasst, politisch geschlossen, bestimmt und entschieden ein Zeichen für den Landkreis zu setzen.
Noch schlimmer wirkt der Eindruck, dass der Bezug zu Bürgern, bei einigen Politikern abhandengekommen ist, oder vielleicht auch gar nicht vorhanden ist. Ich dachte bisher, dass dies ein Problem der Bundespolitik ist, weil dort die Nähe zur Basis fehlt, dass das aber bereits auf unterster
politischer Ebene auch so ist, hätte ich nicht gedacht.
Ein großer Anteil an Bürgerwillen, der ja nun durch deutlichen Protest sichtbar ist, wurde einfach ignoriert und beiseitegeschoben, hinterfragt schon gar nicht.
Die Resolution sollte im Kreistag beschlossen werden, doch einige Politiker dachten wohl, sie sitzen im Bundestag und können hier das ganz große Rad drehen.
Hier wurde ideologisch gehandelt und die Belange des Landkreises vergessen und ignoriert. Die Politik ist nicht in der Lage, gemeinsam über wichtige Dinge zu verhandeln und dabei die Interessen aller zu beachten.
Warum sich grüne Politiker einer geplanten Landschaftszerschneidung, Flächenversiegelung, Abholzung von Waldflächen, Zerstörung von Biotopen etc. nicht entschlossen entgegenstellen, ist nicht nachvollziehbar.
Mobilitätswende ja, aber doch nicht durch Zerstörung und Maßnahmen, die 20-30 Jahre dauern, was in einer Zeit mit sprunghaften technischen Entwicklungen ein sehr großer Zeitabschnitt ist.
Es ist doch im Jahre 2022 keine Vision, in 20-30 Jahren mit einem ICE und 300 km/h durch die Lüneburger Heide zu fahren.
Das kann doch keine grüne Politik sein.
Oder hat hier der Lobbyismus bereits stattgefunden? Ist der Einfluss der Hamburger Grünen, die ihre Container aus dem Hamburger Hafen haben wollen, jetzt nach der Landtagswahl so groß?
Vordergründig scheint es um den Deutschladtakt zu gehen. Im Hintergrund scheint der Transport von Containern wichtiger zu sein.
Alpha-E liegt nun seit nun mehr 7 Jahren auf dem Tisch, bei sofortiger Umsetzung könnten schon heute erste Züge fahren und zu einer Verkehrsentlastung führen. Wer für seinen Landkreis vor Ort Politik gestalten will, kann doch nicht ein derartiges Großprojekt,
dass tatsächlich den gesamten Landkreis von Norden nach Süden durchschneidet, ohne dass vor Ort Nutzungsmöglichkeiten geschaffen werden (zusätzliche Haltestellen), ernsthaft wollen.
Wir protestieren und versuchen nach ganz oben, diesen Protest zu platzieren und sichtbar zu machen, und von unten werden uns Bürgern die Beine weggerissen, vielen Dank dafür.
Ich habe mich gefragt, für was stehen die namentlich genannten Politiker, was haben Sie Ihren Wählern versprochen?
Da Ihre Namen ja öffentlich bekannt gegeben wurden, möchte ich Sie nun auch einmal einzeln ansprechen:
Frau Ruth Alpers:
Auf Ihrer Homepage geben Sie an:
„Ich möchte Menschen animieren, sich in ihrer Kommune für die politischen Belange einzusetzen. Es ist so wichtig, was vor Ort passiert, ob Natur immer weniger wird, ob genug KiTas gebaut werden, ob Ortszentren dem höchstbietenden zur freien Gestaltung oder Verschandelung überlassen werden und
und und… Auch wenn man gute Argumente hat, wird man oft nicht gehört. In der Politik entscheidet Mehrheit, nicht Wissenschaft und nicht Wahrheit. Und deshalb müssen sich mehr Menschen engagieren. In der Vergangenheit hatten wir GRÜNE selten die Mehrheit, dennoch haben wir was
bewegt. Es ist aber noch viel zu tun, deshalb brauchen wir mehr ökologisch denkende Menschen in der Politik. Dann können wir mehr bewegen.“
Mit Ihrer Gegenstimme haben Sie es versäumt, Ihr eigenes Statement umzusetzen, denn mit der geplanten Neubaustrecke wird die Natur immer weniger, unsere guten Argumente wurden Ihrerseits nicht gehört und ökologisch gedacht haben Sie hier überhaupt nicht.
Frau Elisabeth Bischoff:
Auf Ihrer Homepage geben Sie an:
„Als Biologin liegen mir vor allem die Natur und der Umweltschutz am Herzen, daher bringe ich insbesondere beifolgenden Themen meine Kompetenzen in den Kreistag ein:
Klimaneutralität bis 2035
Naturschutz zur Verminderung des Artensterbens
Energiewende hin zu erneuerbaren Energien
Förderung der ökologischen Landwirtschaft
Kreislaufwirtschaft statt Abfallwirtschaft
Reduzierung des Flächenverbrauchs bei allen Planungen
Mobilitätswende hin zur Förderung von Fuß- und Radverkehr und des ÖPNVs
Gemeinwohlökonomie statt Profit für Wenige
Berücksichtigung ökologischer, sozialer und ökonomischer Aspekte in allen Planungen
Für Fragen und Anregungen zu diesen Themen stehe ich gerne zur Verfügung!“
Mit Ihrer Gegenstimme haben Sie es versäumt, Ihre eigenen Ziele umzusetzen, denn mit der geplanten Neubaustrecke wird Natur und Umwelt nur zerstört und nicht geschützt. Bei einem Bauprojekt dieser Größe, das mit Planungsphase und noch unbekannter Finanzierung
sicherlich mindestens 20-30 Jahre dauern wird, verfehlen Sie Ihre Klimaneutralität um schlappe 7-17 Jahre.
Auch Alpha-E führt zu einem Flächenverbrauch, bei der Neubaustrecke wird dieser Verbrauch mindestens doppelt so hoch sein.
Das Gemeinwohl wird hier überhaupt nicht berücksichtigt, wohl aber der Profit der Deutschen Bahn.
Den Rest spare ich mir, nur sollten Sie nicht für Fragen und Anregungen zu diesem Thema zur Verfügung stehen, sondern Andere und Kompetentere für Sie.
Frau Hella Boltz:
In Ihrem Steckbrief zur Wahl geben Sie an:
„Ich möchte gerne die Zukunft vor Ort ändern, in eine grüne Zukunft, da in Städten und Landkreisen
politische Entscheidungen getroffen werden, die unser aller tägliches Leben direkt beeinflussen.“
Sie verändern mit Ihrer Gegenstimme meinen Ort in eine zerstörende, nicht grüne, lärmbelastete Zukunft und beeinflussen mein tägliches Leben direkt ins Negative. „Nachdem ich lange die Politik nur von „außen“ erlebt habe, ist jetzt für mich der richtige Zeitpunkt,
selbst von „drinnen“ aktiv zu werden und meinen Blickwinkel zu ändern.“
Ihre Blickwinkeländerung hat noch nicht stattgefunden.
Herr Malte Krafft:
In Ihrer Funktion als stellvertretender Samtgemeindebürgermeister Elbmarsch und Vorsitzender im
Ausschuss für ÖPNV sollten Sie doch eigentlich erkennen, dass eine den Landkreis zerschneidende
ICE-Neubaustrecke den Ausbau des ÖPNV fast unmöglich macht.
Es wird an der geplanten Trasse keine einzige Haltestelle geben, es geht nur um die direkte
Verbindung Hamburg – Hannover
Bereits bestehende Planungen, den Nahverkehr durch die Reaktivierung der Strecke Buchholz –
Maschen für unserer Region wieder nutzbar zu machen, würden damit nicht mehr umsetzbar sein.
Diese Planung würde die Strecke Buchholz Hamburg entlasten, Pendler von der Straße auf die
Schiene bringen und als Einzugsgebiet Buchholz, Hanstedt, Jesteburg und Seevetal für den ÖPNV
sehr attraktiv machen.
Schade nur, dass Sie das nicht erkannt haben.
Frau Elisabeth Meinhold-Engbers:
In Ihrer Vorstellung zur Wahl geben Sie an:
„Was ist dein Lieblingsort in deiner Stadt/Dorf?“
Ein Spaziergang an der Seeve oder durch den Kleckerwald entspannen mich innerhalb kürzester Zeit.
Die Gemeinde Jesteburg ist soooo schön.
Hier ist noch Platz für dein Statement zu…
Viele Kerngedanken grüner Politik sind bis heute aktueller und dringender denn je, nämlich
Umweltschutz und Klimaschutz. Es gibt noch so viel zu tun. Ich setzte auch auf die Jugend, die
politischer ist, als ich dachte – nur eben anders.“
Ihre „sooo“ schöne Gemeinde Jesteburg wird auch nach dem Bau einer Neubautrasse schön bleiben,
aber Ihre direkten Nachbargemeinden wie z.B. Marxen und Brackel nicht, dann sollten Sie sich
vielleicht besser nur in der Gemeindepolitik engagieren, aber nicht im Kreistag – vielen Dank für Ihren
Egoismus.
Ich wünsche Ihnen angenehme Entspannung während des Zuglärms bei Ihren Spaziergängen.
Ja, das Thema Umwelt- und Klimaschutz ist aktueller denn je, Sie hätten was tun können, aber Sie
setzen ja lieber auf die Jugend, doch dann bitte sollten Sie für diese Jugend auch Platz machen.
Herr Dr. Erhard Schäfer:
In Ihrem Steckbrief zur Wahl geben Sie an:
„Bei meiner politischen Arbeit lege ich großen Wert auf einen regen Austausch mit den Bürger*innen und deren Teilhabe am politischen Geschehen. Wer sich an mich wendet, wird gehört und bekommt Unterstützung, wenn ich das Anliegen für richtig und unterstützenswert halte. Ich unterstütze gern
Bürgerinitiativen und helfe ihnen mit Information und Rat dabei, ihren Anliegen Wirkung zu verschaffen. Die Zusammenarbeit mit den Bürger*innen ist für mich ebenso wichtig wie die Arbeit in den kommunalen Gremien. In diesem Sinne möchte ich meine Arbeit im Winsener Stadtrat und im
Kreistag gerne fortsetzen“
Ein reger Austausch kann nicht stattgefunden haben, sonst würden Sie im Kreistag nicht so argumentieren. Unsere Teilhabe als Bürgerinitiativen am politischen Geschehen scheint Ihrerseits überhaupt keinen Wert zu haben, von einer Unterstützung und Zusammenarbeit mal ganz
abgesehen.
Jana Thomas:
In Ihrem Video-Clip beim NDR Kanditatencheck geben Sie bei der Frage „Warum sollten Wähler Ihnen Ihre Stimme geben?“ an:
„Ich möchte Politik verständlich machen, damit sich möglichst viele Menschen in die Prozesse mit einbringen können“
Das ist Ihnen nicht gelungen, mit Ihrer Gegenstimme haben Sie erreicht, dass viele Menschen sich nicht in die Prozesse einbringen können, Sie ignorieren diese Menschen und ermöglichen der Deutschen Bahn weiter, im Hinterzimmer mit Ihren Planungen fortzufahren, für mich haben Sie
damit Ihre Politik unverständlich gemacht.
Frau Dr. Kathleen Schwerdtner Manez:
In Ihrer Bewerbung zur Landtagswahl geben Sie an:
Natur- und Artenschutz
Wir müssen Naturflächen genauso konsequent vernetzen wie Baugebiete und Straßen. Deshalb muss das Bundeskonzept „Grüne Infrastruktur“ auch in Niedersachsen umgesetzt werden, damit der Erhalt biologischer Vielfalt essentieller Bestandteil jeglicher Raumordnungsplanung wird. Wir brauchen ein
Ende der Flächenversiegelung durch einen Flächenkreislauf, um unsere verbliebenden Naturräume zu erhalten.
Der Schutz bedrohter Arten darf nicht ständig durch Ausnahmeregelungen aufgeweicht werden – Biber, Wolf und Silberreiher sind in unserer Kulturlandschaft zu Hause. Dort, wo ihr Vorkommen zu Konflikten führt, müssen gemeinsam mit allen Beteiligten Lösungen entwickelt werden.
Klimawandel & Anpassung
Die Einhaltung des 1.5 Grad Ziels ist oberste Handlungsmaxime. Deshalb müssen wir den Ausstoß von Klimagasen weitgehend reduzieren, etwa durch die Wiedervernässung von Mooren. Da sich mehr als 38% der deutschen Moorflächen in Niedersachsen befinden, haben wir hier eine große Chance und die
Verantwortung, aktiv zu werden.
Gleichzeitig müssen wir dem bereits existierenden Klimawandel entgegentreten, etwa durch den Umbau unserer Wälder in naturnahe Bestände oder die Entwicklung innovativer Konzepte für den Umgang mit Extremereignissen (Stichwort: Schwammstädte). Durch die Förderung von „blau-grüner
Infrastruktur“ (der Aufwertung und Vernetzung von Gewässern und Naturflächen) schützen wir das Lokalklima, schaffen Raum für Versickerung und bereiten uns auf kommenden Hitzewellen und Dürreereignisse vor. Wir brauchen ein Klimagesetz und Klimaanpassungsstrategien, die in enger Zusammenarbeit mit Wissenschaftler*innen entwickelt werden.“
Ich gehe davon aus, dass Ihre genannten Ziele natürlich auch für Ihre Arbeit im Kreistag gelten.
Mit Ihrer Enthaltung haben Sie es verpasst, den Erhalt der biologischen Vielfalt zu wahren, die Raumordnungsplanung wird seitens der deutschen Bahn ignoriert und soll über sogenannte beschleunigte Verfahren ausgesetzt werden, zur Flächenversiegelung habe ich mich bereits oben
geäußert und Ausnahmeregelungen werden für die geplante Neubautrasse zu Hauf nötig sein.
Die Kulturlandschaft ist ja mit der Lüneburger Heide im Landkreis Harburg ein wesentlicher Bestandteil, Lösungen haben Sie mit Ihrer Enthaltung jedenfalls nicht entwickelt.
Durch die Neubautrasse werden nicht nur Moore, sondern viele Entwässerungsgräben zerschnitten, eine Wiedervernässung und Raum für Versickerung wird dadurch sicherlich nicht erreicht, eher das Gegenteil.
Fazit:
Zusammenfassend haben Sie alle Zusammen Ihre eigenen Ziele nicht umgesetzt, als Sie die Chance
hatten, dies zu tun. Daher muss ich mir die Frage stellen, wie ernst nehmen Sie eigentlich Ihre Ziele
und Ihre Verantwortung, die Sie von Ihren Wählern übertragen bekommen haben?
Sie täuschen damit Ihre Wähler und haben aus meiner Sicht als Politiker allesamt versagt und / oder Ihre Aufgabe nicht verstanden.
Das macht mich in Zeiten von Politikverdrossenheit und zunehmenden Populismus traurig und wütend!
Eines haben Sie alle aber schon heute erreicht: Ich weiß bereits heute, an welcher Stelle ich bei der nächsten Kreistagswahl meine Kreuze nicht machen werde. Das ist doch ein, wenn auch kleiner, positiver Ausblick in die Zukunft.
Ich bedanke mich ausdrücklich bei Frau Nadja Weippert für ihre Haltung und ihr Rückgrat und natürlich auch bei allen anderen parteiübergreifenden Politikern, die Ihr verantwortliches Handeln mit der Resolution zum Ausdruck bringen wollten.
Wir werden weiterhin unsere Stimme erheben und unseren Protest deutlich nach außen tragen.
Christian Deppner
Im Namen der Bürgerinitiative „X-durch-Y“ Brackel
Brackel 19.10.2022
Anmerkung des Verfassers:
Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wurde in diesem Brief die männliche Sprachform verwendet. Dies bedeutet jedoch keine Benachteiligung des weiblichen oder dritten Geschlechts, sondern soll im Sinnen der sprachlichen Vereinfachung als geschlechtsneutral zu verstehen sein.